Mein Spatz

 

Am 02. Juli 2009 wurde ich Ziehmama für einen kleinen Feldsperling.

Er wurde an diesem Tag in der Tierarztpraxis, in der ich grade Praktikum machte,
von einem Ehepaar abgegeben, dessen Katze ihn angeschleppt hatte.

Erst waren wir ratlos und die Tierärztin war sich nicht ganz sicher,
ob wir ihn am Leben lassen sollten, da er eines seiner Beinchen nicht bewegen konnte.

Doch da der Spatz fleißig am Sperren war, welches ein Zeichen für Hunger ist,
suchten wir draußen Blattläuse und fütterten ihn. Er nahm uns diese mit Begeisterung ab,
und so entschieden wir uns, ihm eine Chance zu gebe. So landete er in meiner Obhut.
Er war zu diesem Zeitpunkt ca. 10-12 Tage alt.

Wir kauften eine kleine Transportbox für Nagetiere, und stellten eine mit Heu gefüllte Schale hinein die ihm als Nest diente.
Nun reiste der kleine Spatz jeden Tag mit mir umher. Von zu Hause zu meinem Praktikumsplatz in der Tierarztpraxis
und wieder zurück. Mein Spatz war ein kleiner Vielfraß, anfangs wurde er jede Stunde gefüttert.
Er bekam Blattläuse, kleine Raupen, Fliegen, Mehlwürmer, Heimchen, Grillen und Spinnen.
Alles, was sich im Garten so anfand und was wir gar nicht mögen.



Spatzen sind Nesthocker und somit recht pflegeleicht.
 Anfangs streckte mein Spatz höchstens seinen Hintern aus dem Nest, um Kot abzusetzen.

Mit seinem funktionsuntüchtigen Beinchen machte ich im Laufe des Tages immer fleißig kleine Übungen.
Ich nahm das Beinchen zwischen die Finger und bewegte es, als würde er Hüpfen und Springen.
Die Fortschritte zeigten sich schnell.

Als es dann bald mit dem Selberstehen und Vorwärtshüpfen klappte,
begann er auch selbst zu fressen und wir wechselten die Nahrung auf Weichfutter für Kleinvögel und Waldkörnerfutter.
Irgendwann fraß er auch nur noch Letzteres. Das war dann der Zeitpunkt,
zu dem er zu Hause blieb und nicht mehr mit mir auf Arbeit kam. Auch sein Federkleid wurde langsam prächtiger und ich konnte erkennen, dass ich einen hübschen männlichen Feldsperling hatte.



Zusätzlich begannen die ersten Flugversuche und seine kleine Transportbox als Nest reichte nicht mehr.
Wir liehen uns einen Vogelkäfig und er bekam ihn schick eingerichtet, mit Futterplatz, Nest, Stangen zum Sitzen und Badeplatz.


 
Wenn jemand zu Hause war, durfte der Tunichtgut auch frei in meinem Zimmer herumfliegen.
 Als Spatz war er natürlich sehr neugierig und erkundete stets seine Umgebung.
Es gab einfach zu viel für ihn zu entdecken. Am tollsten fand er meine Meerschweinchen.
Ich glaube, er hielt sich irgendwann selber für ein Meerschweinchen.
Er bediente sich aus den Trinkflaschen der Meerschweinchen, und  stibitzte regelmäßig die Haferkörner
und Dillstengel aus ihren Futternäpfen. Zudem war er der Meinung, mit einem der Meerschweinchen,
in dessen Hütte immer kuscheln zu müssen. Was dazu führte,
dass ein zwitschernder Spatz durch das Einstreu sprang und ein meckerndes Meerschwein ihm  hinterher.
Es war kein Heuhalm vor ihm sicher, wenn er außerhalb der Heuraufe lag.
Dann wurde er durchgekaut und danach in eine leer stehende Pappkiste auf meinem Schrank gebracht.
Sein Lieblingsbadeplatz war nicht etwa das Badehäuschen, im schön eingerichtetem Käfig.
Nein, der kleine Herr hatte sich einen Pokal ausgesucht, den eines meiner Meerschweinchen auf einer Ausstellung gewonnen hatte.
Ich erbarmte mich und füllte etwas Sand in den Pokal, damit es auch ein richtiges Sandbad war.
Sein Wasserbad nahm Herr Spatz bereits regelmäßig in einem Wasserbottich der Meerschweinchen ein.



Wenn man mit Essen in der Hand das Zimmer betrat, konnte man sich darauf gefasst machen,
bald einen Spatzen auf dem Essen sitzen zu haben, der fleißig mit futterte.
Auch musste man jeden Moment damit rechnen, als Landeplatz angepeilt zu wurde.



Meistens verkuschelte er sich dann im Nacken in den Haaren, im Schoß oder in einer Hand.
Dass der kleine Sperling wild war, konnte man nun wirklich nicht mehr behaupten.



Leider war es dann im August soweit und wir fuhren ihn zur Auswilderungsstation der NABU nach Berlin.
Dort bekam er einen Ring um sein Beinchen und wurde erst einmal in die Volliere zu anderen Kleinvögeln getan.
Wenn er sich von Menschen entfremdet hatte und keine sonstigen Probleme auftreten sollten,
würde er in die Natur entlassen.
Es war eine schöne Zeit mit dem kleinen Spatzen. Ich hätte niemals gedacht,
dass Vögel so einen speziellen Charakter haben. Es ist mir wirklich schwer gefallen,
ihn dort zu lassen. Während ich noch ein paar Minuten an der Volliere stand,
saß er am nächsten Ast und schaute mich mit seinem typischen neugierigem Blick an
und versuchte zwischen durch seinen Ring zu entfernen. So habe ich mich am 18. August 2009 von ihm verabschiedet.
Ich hoffe, die Wochen mit ihm haben sich gelohnt und er ist ein kräftiger Feldsperling geworden,
der noch jetzt in der Natur lebt.